Modul D30 Raumplanung und Denkmalpflege – Philipp Maurer 

Raumplanung und Denkmalpflege auf dem Bürgenstock

 Modul D30 Raumplanung und Denkmalpflege – Philipp Maurer

Modul D30 Raumplanung und Denkmalpflege – Philipp Maurer

MAS Denkmalpflege und Umnutzung

 1. Die Entwicklung des Hoteldorfs auf dem Bürgenstock 

 1872/73 errichteten Josef Bucher-Durrer (1834–1906) und Josef Durrer (1841–1919) auf dem Bürgenstock das Grand Hotel. 1888 erfolgte die Erschliessung mittels Standseilbahn sowie der Bau des Park Hotels bei der Bergstation. 1897 wurde das Hotel Waldheim im Osten des Resorts, 1903 der freistehende Hammetschwand-Lift und 1904 das Palace Hotel erbaut. Unter Friedrich Frey-Fürst (1882–1953) erfolgten ab 1925 die Erneuerungen der Hotelbauten sowie der Bau neuer Dienstleistungsgebäude, sodass ein in sich geschlossenes Hoteldorf entstand. Nach dem zweiten Weltkrieg forcierte sein gleichnamiger Sohn diese Entwicklung mit der Hinzufügung moderner Kleinbauten (Freiluftschwimmbad, Ausstellungspavillons etc.) und machte den Bürgenstock zu einem weltbekannten Nobelkurort. In den 1980/90er Jahren büsste der Bürgenstock seine Bedeutung als Kur- und Feriendestination der gehobenen Gesellschaft ein. Ab 2006/07 setzten Pläne für den Neubau eines autofreien Luxus-Resorts ein, nachdem mit dem Kauf des Hotels Waldheim 2006 alle vier Hotels erstmals in einer Hand (Rosebud Hotels Holding AG, Luxemburg; später Katara Hospitality Switzerland; Katar) vereinigt waren. Der 2008 erarbeitete Gestaltungsplan sah eine Wohnzone mit Residence-Suiten (10%), eine öffentlich zugängliche Tourismuszone (30%) und eine Kur- und Wellnesszone (60%) vor. Die Eröffnung des neuen Resorts erfolgte 2017 (vgl. Abb.). 

 2. Raumplanerische Grundlagen 

Der Richtplan des Kantons Nidwalden von 2017 weist den Bürgenstock einerseits als «Touristisches Intensivnutzgebiet A», andererseits als «landschaftlich empfindliches Siedlungsgebiet» und drittens als «kantonales Landschaftsschutzgebiet» aus. Als speziell zu berücksichtigende «Koordinationsaufgaben» sind im Richtplan die Erhaltung der Landschaft und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) sowie die Erhaltung des Ortsbilds von nationaler Bedeutung (ISOS) aufgeführt. 

Das Hoteldorf erstreckt sich über die beiden Gemeinden Ennetbürgen und Stansstad. Die Zonenpläne beider Gemeinden definieren eine «Kurzone Bürgenstock» und eine «Wohnzone Bürgenstock», in der eine Gestaltungsplanpflicht gilt und in der «die 1992 bestehenden Gebäudekuben nur ersetzt und in ihrer Nutzung verändert werden dürfen, wenn dadurch die Nutzung für Appartments, Wohnbauten usw. nicht erhöht wird». In diesen Zonen sind die Gebäudehöhen und die Gestaltung der Fassade so zu planen, dass das Erscheinungsbild der Hotelsilhouette nicht beeinträchtigt wird. Der Gestaltungsplanperimeter erstreckt sich auf rund 80’000 m2. Angesichts dieser Grösse wurde er «in drei rechtlich selbständige Teilabschnitte zerlegt» (NLZ 09.11.2016). Der östliche Teil des Resorts mit dem Waldhotel (erb. 2012–2017, ehem. Waldheim) liegt in der allgemeinen «Kurzone», in der Bauten ohne «konzeptionellen Einfluss auf den gesamten Zonenbereich» ohne Gestaltungsplan bewilligt werden können 

 3. Wirtschaftliche Interessen 

Die Betreiber des Bürgenstock-Resorts rechnen mit jährlich 150’00 Übernachtungen und 100’000 Tagesgästen. Gemäss einer Studie von BAK Basel (2013) ist von einem jährlichen Umsatz von 140 Millionen auszugehen. Mit rund 800 Angestellten und 300 indirekt geschaffenen Arbeitsplätzen ist das Hoteldorf zum zweitgrössten Arbeitgeber im Kanton Nidwalden avanciert. 

4. Schutzinteressen

Natur- und Landschaftsschutz:
BLN 1606 Vierwaldstättersee mit Kernwald, Bürgenstock und Rigi

Begründung für die nationale Bedeutung sind die Seen- und Berglandschaft im Zentrum der Schweiz am Übergang vom Mittelland zu den Alpen; Vierwaldstättersee als eindrücklichster See aufgrund seiner Form, Ausdehnung sowie der abwechslungsreichen Uferlandschaften; Kultur- und architekturhistorisch bedeutende Zeugen des Frühtourismus: Hotelanlagen, Infrastrukturen, Parklandschaften. Wichtige Schutzziele sind der Erhalt der kulturhistorisch wertvollen touristischen Ensembles, Bauten und Anlagen mit ihrem Umfeld und der historischen Verkehrswege mit ihrer Substanz und ihrer Einbettung in der Landschaft.

Im Teilraum 4. Bürgenstock wird der Charakter der Landschaft mit dem Bau einer Hotelanlage auf dem Grat beschrieben. Der Hammetschwandlift, der höchste Freiluftaufzug Europas, verbindet den Felsenweg mit dem höchsten Punkt des Bürgenstocks. Für die Kulturlandschaft hatte der Bergriegel noch auf der Dufourkarte keine Bedeutung. Aussergewöhnlich ist die Zugehörigkeit des Gebiets. Seit dem Jahr 1378 ist der nördliche Teil des Bürgenberges, damals als Stadtwald bezeichnet, eine Exklave der Stadt Luzern. Die Bürgenstockbahn gilt als die älteste elektrische Standseilbahn der Schweiz und wird mit Strom aus Wasserkraft versorgt. Die touristische Anlage auf dem Bürgenstock mit drei Hotels und einem alpinen Naturpark bildet eine der wenigen noch erhaltenen Tourismusanlagen aus der Belle Epoque und gilt als Pioniertat der schweizerischen Hotellerie.

Denkmalschutz:
Gemäss Bericht von Gerold Kunz (Denkmalpfleger und Leiter der Geschäftsstelle der Denkmalpflegekommission Kanton Nidwalden) im tec21 Ausgabe vom 12. Januar 2018 hat das Raumplanungsamt des Kantons Nidwalden 1987 ein Ortsbildgutachten als Basis für die Festlegung eines gültigen Gestaltungsplans bestellt. Es dokumentiert insbesondere den aus drei Entwicklungsphasen überlieferten Gebäudebestand (siehe oben). 

Die private Investorenfirma, die die jüngste Erneuerung des Standorts plante, gab daher eine Recherche in Auftrag. Diese zeichnete die historische Entwicklung des Bürgenstockareals nach; ein Garteninventar bewertete die Freiräume. Die kantonalen Fachstellen für Denkmalpflege und Natur- und Landschaftsschutz entwickelten daraufhin ihre Zielvorgaben für den Ortsbildschutz: 

Den Erhalt der beiden historischen Hotels (Grand Hotel und Palace) und der Kleinbauten aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Auch sollte die Anlage mit zeitgenössischer Architektur und Landschaftsarchitektur ergänzt werden können. 

Der Nidwaldner Regierungsrat genehmigte einen Schutzplan, der die Weiterentwicklung des Hotelstandorts regelt. Ein zentrales Anliegen darin war, die Kleinbauten der 1950er- und 1960er-Jahre nach denkmalpflegerischen Grundsätzen zu restaurieren. Sie verfügen über einen hohen Anteil an originaler Bausubstanz. Fassaden, Grundrisse, Dekorationsmalereien und Ausstattungen sind in den letzten 50 Jahren kaum verändert worden. Das Wechselspiel zwischen den ganz grossen Baukörpern und den Kleinbauten ist zudem der Faktor, der das Ortsbild wesentlich prägt. 2013 erhielten fünf Objekte den Status «denkmalgeschützt». 

Historische Verkehrswege (IVS):
LU 34/NW434

Der Felsenweg am Bürgenstock wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut. Wegen seiner tourismusgeschichtlichen Funktion als Promenadenweg, wegen der exponierten Lage steil und hoch über dem Vierwaldstättersee und wegen seiner aufwändigen Anlage wird er im Inventar als überregional bedeutend eingestuft. Er führt von den Hotelanlagen der Nordflanke des Bürgenstocks entlang. Mit Ausnahme eines kurzen Abschnittes am südlichen Ende der Strecke, wo der Weg bei der Renovation von 1990/91 in seiner Linienführung einige geringfügige Veränderungen erfuhr (ursprüngliche Aufhängevorrichtungen und Wegreste sind dort noch zu sehen), besteht der Weg noch unverändert so, wie er 1903 – 1905 angelegt und 1921 vollendet wurde.

Ortsbildschutz (ISOS):
Der Bürgenstock ist seit 1994 als Ortsbild von nationaler Bedeutung eingestuft. Das ISOS weist der Kuranlage mit den drei «weithin sichtbaren Hotelbauten», «die noch immer einige für die jeweilige Entstehungszeit typische Details aufweisen», sowie der 1897 erbauten Bürgenstock-Kapelle Erhaltungsziel A (Substanzerhalt), den Baugruppen im Osten (Waldheim) und Westen Erhaltungsziel B (Strukturerhalt) zu. Die Anlage gilt «als eine der wenigen in dieser Grösse erhaltenen Anlagen aus dem letzten (19.) Jahrhundert».

5. Weitere öffentliche und private Interessen

Energieversorgung: Bereits die Standseilbahn wurde mit Strom aus Wasserkraft betrieben. Heute wird ein Grossteil des Resorts mit Energie aus dem Vierwaldstättersee versorgt. 

Verkehrserschliessung: Die enge und mit vielen Kurven bestückte Erschliessungsstrasse auf den Bürgenstock wurde wo möglich leicht ausgebaut. Eine wichtige und alternative Erschliessung liegt heute aber in der Schifffahrt und der Standseilbahn. Die neu erstellte, direkte Route von Luzern hat dabei einen Stundentakt erhalten. 

6. Interessensabwägungen Neuplanung Bürgenstock 2007–2018: Substanz- oder Strukturschutz? 

Die kantonalen Behörden unterstützten mit Blick auf die zu erwartende Wertschöpfung für den Kanton die Pläne zur Neugestaltung des Hoteldorfs. Die Fachstellen für Denkmalpflege und Natur- und Landschaftsschutz richteten ihren Fokus in erster Linie auf den Erhalt des Orts- und Landschaftsbilds und die Bewahrung der Bebauungsstruktur, die sich durch das Wechselspiel zwischen den grossen Baukörpern des 19./frühen 20. Jh. und den Kleinbauten der 1950/60er Jahren auszeichnet. Mit der Argumentation, dass der Anteil an historischer Bausubstanz gering sei, wurde der Teilabbruch und die Rekonstruktion bzw. die Auskernung der beiden noch bestehenden Hotelbauten aus der Belle Époque gutgeheissen. Formell unter Schutz gestellt wurden die Kleinbauten der 1950/60er Jahre. Bei den grösseren Neubauten wurde darauf geachtet, dass die Silhouette des Hoteldorfs aus der Ferne erhalten blieb und dass die historischen Gebäude durch ihre hellere Farbe von den Neubauten zu unterscheiden sind.

 

7. Kritische Beurteilung und Einschätzung möglicher Entwicklungen 

Positiv fällt ins Gewicht, dass sich der bebaute Perimeter kaum ausgedehnt hat und die umgebende Landschaft dadurch bestmöglich geschont wurde: lediglich im Osten wurde für zwei Häuser neuer Baugrund erschlossen, die restlichen Neubauten stehen an Standorten, die vorher schon bebaut waren. Die Struktur des Hoteldorfs der 1950/60er Jahre konnte somit recht gut bewahrt werden, auch wenn die neuen Gebäude deutlich mehr Volumen einnehmen. Zu bedauern ist, dass dieses Ergebnis offenbar nur durch den Abbruch bzw. Teilabbruch der zwei noch bestehenden Belle Époque Hotels und weiterer schützenswerter Objekte möglich war. Von der Anlage des 19. Jahrhunderts, die das ISOS als bedeutend einstuft, ist nicht mehr viel erhalten geblieben, auch wenn versucht wurde, die nördliche Silhouette des Hotelberges mit den drei von Luzern her gut sichtbaren grossen Hotelbauten bestmöglich zu bewahren. 

Sollte sich das Hoteldorf in Zukunft wegen des Erfolgs des Resorts trotzdem ausdehnen, wird der Verlust dieser Zeitzeugen der Belle Époque rückblickend als umso grösser erscheinen. Da der Bürgenstock aber in einem kantonalen Landschaftsschutz- und in einem BLN-Gebiet liegt, ist mit einem solchen Szenarium aller Voraussicht nach nicht zu rechnen. 

 Christian Delb | Philipp Zwyssig 
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